Es ist eine der schönsten und tragfähigsten Botschaften, die Jesus formulierte. „Ich nenne euch nicht mehr Knechte ... Vielmehr habe ich euch Freunde genannt …“ (Joh 15,15)
Jesus betrachtet uns als Freunde und jeder von uns wird so von ihm angesprochen. Und wir? Wir können doch nicht einem jeden unsere Freundschaft anbieten. Es gibt: Partner und Kameraden, Kumpels und Kollegen, Gefährten und Begleiter - und es gibt Freunde.
Damit sich eine echte Freundschaft entwickeln kann, müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Man kommt ins Gespräch und merkt sofort eine gewisse Zuneigung und Sympathie. Die Seelenverwandtschaft bedeutet, dass wir in vielen Dingen ähnlich fühlen und denken. Dabei bemühen wir uns, die Macken und Fehler des andern auszuhalten. Ansonsten käme bald die Gleichgültigkeit und dann irgendwann die Antipathie, die Abneigung.
Wir haben einen Wunsch, sich wieder zu treffen, zusammen zu sein, miteinander etwas zu unternehmen. Eine echte Freundschaft kann nur durch gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse entstehen. Die verschiedenen Geschichten, die unser Leben verbinden, lassen das Bewusstsein für die Gemeinschaft stärken. Man erzählt sich dann: „Weißt du noch, wie es damals war?“ Und man spürt: „Es ist gut, dass wir uns gefunden haben und uns beistehen.“
Allmählich wächst daraus die gegenseitige Anerkennung und das Vertrauen zueinander. Ich erlebe, dass mich der andere nicht sitzen lässt, dass ich mich auf ihn verlassen kann. Ich stelle fest, dass der andere sich an Abmachungen hält, dass er ehrlich ist und nicht hintenherum agiert. Ich brauche einen vertrauten Menschen nicht kontrollieren, denn er meint es gut mit mir. Ich habe keine Angst, dass ich von ihm verraten und bloßgestellt werde.
Das Vertrauen ermöglicht in einer Freundschaft das aufmerksame Zuhören. Ein Gespräch, das unterstützt, tröstet und aufbaut, das im Guten zurechtweist oder liebevoll Kritik bringt. Es gibt Zeiten, wo man mehr gibt und wieder, wo man mehr empfängt. Mit einem Freund an der Hand ist kein Weg zu lang und zu langweilig. Und das Leben ist voller Aufgaben, die sehr wichtig für unsere Familien, unsere Gemeinden und für unsere Gesellschaft sind.
Eine hilfsbereite Freundschaft ist nicht immer leicht, aber dafür würdig und recht. Dazu ermutigt mich Jesus, wenn er zu mir sagt: „Ich kann dich gut leiden, du bist mir sympathisch. Ich habe zu dir Vertrauen und ich verlasse mich auf dich. Ich sage dir, was mir wichtig ist und ich möchte erfahren, was dich bewegt.“ Was werde ich antworten? Freundschaft lebt, wenn sie von beiden Seiten angestrebt wird, andernfalls bleibt sie einseitig und verkümmert.
Ihr Pfarrer Dr. Matthias Rusin